Kürzlich erschienen: Unter dem Rad der Geschichte – Autobiographie eines Menschen mit erstaunlicher Zivilcourage

Premysl Pitter (1895 – 1976) rettete in den Wirren der Nachkriegsmonate in der Tschechoslowakei über 800 jüdische und deutsche Kinder aus Konzentrations- und Internierungslagern vor Hungertod und Gewalt. Später engagiert sich Pitter im Auftrag des Weltkirchenrats im Flüchtlingslager “Valka” bei Nürnberg. 1964 erhält er den Ehrentitel “Gerechter unter den Völkern”.

Pitters Autobiographie ist geschrieben in unpathetischer und doch engagierter Art, mit viel Liebe und Mitgefühl, realistisch und illusionslos. Sein unbeugsamer Einsatz für Menschenwürde und Gerechtigkeit ist ein leuchtendes Beispiel für alle, die sich Zivilcourage anstreben.

Die von Sabine Dittrich bearbeitete Neuauflage dieser Autobiographie ist ein Lehrstück in gewaltfreiem Widerstand. Pitter zitiert Romain Rolland, Denker und Praktiker der Gewaltfreiheit und Pionier des Internationalen Versöhnungsbundes, welcher sich seinerseits im Gespräch auf Gandhi bezieht: “Gandhis Nichtbeteiligung ist passiver Widerstand, aber das bedeutet nichts Passives, sondern eine mächtige, ausdauernde, eine positive Kraft.” Pitter schreibt im ersten Teil, dieser Gedanke habe ihn in seine Heimat begleitet. Was dann folgt ist ein eindrücklicher Beleg dafür, dass er sich von dieser Einsicht hat leiten lassen, manchmal unter Lebensgefahr.

Pitter beschreibt treffend ein Phänomen, welches in Situationen sozial-politischer Konflikte bekannt ist: 1919 zieht eine Menschenmenge ruhig durch die Strasse mit einem Galgen, an dem eine Puppe hängt. Auf Plakaten steht “Weg mit den Schiebern”. Vor einer Metzgerei, deren Besitzer möglicherweise Jude war, schreit ein Einzelner ein antisemitisches Schlagwort. Und mit einem Mal stürzte sich die Menge mit wüstem Gebrüll auf das Geschäft, riss das Schild herunter, zerschlug das Schaufenster, begann zu plündern. Die bisher ruhigen Menschen verwandelten sich schlagartig in jene rasende Herde, in der das Individuum aufhört, selbständig, ein vernünftiges Geschöpf zu sein; in der es zum Bestandteil eines unverantwortlichen Kollektivs wird. Das erinnert an die Märsche in Nordirland in den 80ern und 90ern – und auch an die Beschreibung von Carolin Ecke in ihrem Buch Gegen den Hass. S. Fischer 2916

Vaclav Havel schrieb zum Buch: Premysl Pitter ist ein Beispiel für Humanismus und Toleranz.

Das Buch liest sich leicht, das kommt auch von der Leichtigkeit des Autors und seines Sinns für Humor. Eine sehr empfehlenswerte Lektüre, besonders auch für junge Menschen, für welche die Zeit Ritters weit entfernt ist, die aber empfindsam sind für die Herausforderungen und Widersprüchlichkeiten unseres 21. Jahrhunderts.

Neufeld Verlag 2017, 160 Seiten

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