Vor einem halben Jahrtausend kam es nach zunehmenden örtlichen Aufständen in Deutschland zum Bauernkrieg und in Zürich sorgten die Täufer für zusätzlichen Aufruhr in einer stark angespannten Atmosphäre. Dass Bauernkrieg und Täufertum miteinander verwandt sein sollen, war vielen Mennoniten lange unheimlich. Die Reformation war allerdings nicht nur kirchlich-religiöser Aufbruch, sie ging einher mit dem Aufruhr gegen Unterdrückung und Elend, unter welchem vorwiegend aber nicht nur, die erbarmungslos ausgebeuteten Bauern litten.
Die 12 Artikel von Memmingen, welche die Bauern den Herren vorlegten, gelten als Vorläufer der Menschenrechte (siehe Art. 3+4 auf dem Titelfoto). Dass ein Krieg von armen Bauern gegen einen überaus mächtigen Feudalapparat nicht zu gewinnen ist, erstaunt heute nicht. Doch sei die Frage gestellt, wer denn wem den Krieg erklärt hat? Ein Aufstand ist kein Krieg und ein solcher lässt sich nicht mir Mistgabeln gewinnen. Auf jeden Fall scheint es aus heutiger Sicht, dass diejenigen Bauern, die vom Krieg eingeholt worden waren und sich dem Täufertum anschlossen, daraus ihre Lehren gezogen haben. Das Evangelium eilte ihnen dabei kräftig zu Hilfe, bzw. sie fanden da die Erklärung dafür, warum Gewalt nicht funktionieren kann. So ungefähr dürfen wir es uns zumindest vorstellen.
Wenn auch heute Aufbruchsstimmung herrscht, dann ist doch parallel dazu auch eine massive Abbruchstimmung im Gange. Machmal scheint es, als sei letztere stärker: Soziale und politische Errungenschaften werden massiv angegriffen und abgebaut, Demokratie ist bedroht, Menschen werden zu Hunderttausenden in sinnlosen Kriegen um Leib und Leben gebracht, das internationale Recht und die Menschenrechte werden grob missachtet. Die Politprominenz, die sich diese Woche in Rom von Papst Fanziskus verabschiedete, setzt sich grossenteils über dessen mahnende Worte und seine universelle Menschen- und Naturliebe unbekümmert hinweg. Welch ein Haufen von Heuchlern, möchte man schreien!
Doch wir können und müssen Anteil nehmen an der Gestaltung der Welt. Wir tun es nur schon, indem wir die Instrumente benutzen, welche uns die Techmilliardäre gnädig zur Verfügung stellen und dabei unsere persönlichen Daten abzocken. Wie die Feudalherren seinerzeit den Bauern ihre Ernte.
Die vielen diversen Anlässe zu den 500 Jahren Bauernkrieg und Täuferbewegung bieten uns Gelegenheit, uns zu vergegenwärtigen, dass wir alle nicht passive Dulderinnen und Dulder sein müssen. Wir haben mehr in der Hand als wir auf Anhieb denken. Wenn die Bauern und Täufer wie auch andere Aufständische gegen Leibeigenschaft, Missbrauch, Lügenwirtschaft und Gewalt vor 500 Jahren Veränderungen bewirkten, bevor die meisten lesen und schreiben konnten, bevor es Kommunikations- und Transportmöglichkeiten oder demokratische Strukturen gab wie wir sie heute haben, dann können wir heute, wo wir nicht nur über die technischen, strukturellen und finanziellen Mittel verfügen, sondern auch die Kenntnisse und Erfahrungen hinsichtlich Konflikt und Gewalt haben, wirkliche und nachhaltige Veränderungen in die Wege leiten. Dass dies gewaltlos geschieht, dafür stehen wir hier.
Übrigens: Wer sich für Stimmen aus den USA ausserhalb der Massenmedien interessiert, sei hier empfohlen, Lisa Schirch und/oder Ron Kraybill zu folgen. LinkedIn oder Substack. Lisa lehrt Peace Studies in Notre Dame und Ron ist seit 30+ Jahren in Peacebuilding und Konfliktarbeit und gilt als einer der Pioniere in diesen Bereichen.
Infos zu den Anlässen gibt es vielerorts, wir brauchen sie hier nicht im Einzelnen aufführen. Die weiteren neueren Beiträge auf dieser Website bieten einiges an Stoff zur Inspiration und Vertiefung, so insbesondere der hervorragende offene Brief von Alain Refalo an die Aufstände der Erde in Frankreich.
Infos zu vielen Anlässen bietet die Website Anabaptism500
Ein Tip, der auf obiger Website nicht erscheint: Im Kino Rex in Biel-Bienne wird am 20. Mai 19 Uhr der Film Kinder des Friedens gezeigt, mit anschliessender Diskussion.
Nicht zu vergessen: Vortrag von Carolyn Yoder „Klima-Veränderung, Trauma und Widerstandskraft“ am 30. Mai 19 Uhr am Bildungszentrum Bienenberg. Anmeldung bis 26. Mai über diese Seite hier.
Danke Hansuli. Deine etwas gar sehr behutsame Annäherung, passt gut zu meinen Notizen:
Wessen Perspektive das ist, welche in Ausstellung, Buch und Film „Die Kinder des Friedens“ so streng wissenschaftlich, akademisch und unter dem Schutz der Universität Zürich erzählt wird?
– Natürlich jene, welche Felix Manz hat ersäufen lassen. Eine kleines Argumentarium:
https://dissent.is/disputationen/
Und was ist von diesem Kongress zu halten; ebenfalls unter der Schirmherrschaft (sic!) der Alma Mater Turicensis? https://www.1525.uzh.ch/de/wurzeln/taeufertum.html
Danke Stefan, ich denke schon, dass das Thema Unrecht und Aufstand heute so real ist wie im Mittelalter. Gewalt bleibt Gewalt und Widerstand bleibt Widerstand und die Mechanismen sind intakt wenn auch technologisch subtiler. Zum Film werde ich mich erst äussern, wenn ich ihn gesehen habe. Soviel ich weiss tragen Buch und Film den gleichen Titel, sind aber anders gelagert und sprechen wohl nicht das gleiche Publikum an. Übrigens sind mit Felix damals noch einige andere ertränkt worden. Aber die Erzählung der Täufergeschichte heute geschieht sehr anders als damals und auch nochmal ganz anders als vor sagen wir 60 Jahren.