Zwingli? – Anna Reinhart!

Dies sind einige Eindrücke und Überlegungen, welche mir während und unmittelbar nach der Erstaufführung des Zwingli-Films in Biel durch den Kopf gingen. Ich war eingeladen, an einem spontanen Podiumsgespräch teilzunehmen und ein paar Fragen der beiden für die Moderation zuständigen Personen zu beantworten.

Der Film beginnt mit Anna Reinhart und er endet mit Anna Reinhart. Sie ist von Anfang an da, auch wenn man sie noch nicht kennt, und sie ist eine gute Weile noch da, nachdem der Reformator im Krieg gegen die Katholiken umgebracht und geviertelt worden ist. Die Liebesgeschichte zwischen den beiden zieht sich wie ein roter Faden durch den Film. Doch Anna Reinhart, nicht Zwingli, hat das letzte Wort. Ich dachte schon währende dem Film: Der Titel könnte eigentlich auch „Anna Reinhart“ lauten. Sie steht nicht nur den Täufern nahe – im Film um Lichtjahre näher als Zwingli, dessen historische Nähe mit – um nicht zu sagen Seilschaft zu – den Täufern vom Film unterschlagen wird. Anna steht, zumindest am Ende des Films auch jedem post-modernen, säkularisierten und eventuell kirchenfremden wenn nicht kirchenfeindlichen Menschen, nahe. Das ist wohl gewollt und ist nicht schlecht. Man muss weiter denken, weiter auf der Suche bleiben, denn die Wahrheit lässt sich nicht im Sack verstauen.

Die Täufer werden als eher simple, ziemlich aufgebrachte und ungeduldige Typen dargestellt, denen es einfach nicht rasch genug gehen kann. Sie wollen nicht nur radikale Massnahmen, sie sind unwirsch. Zweifellos gab es unwirsche Täufer, doch die Zürcher Freunde Zwinglis waren in einem Sinne radikal, die dem Film entgeht, bzw. die der Film dem Zuschauer entgehen lässt. Das war übrigens eine Frage aus dem Publikum in Biel, welche ich dankbar aufnahm. Ich finde, der Begriff der Radikalität muss rehabilitiert werden. Was braucht es heute denn anderes als radikales Umdenken und Handeln angesichts der drohenden Klima- oder Nuklearkatastrophe, welche von Politikern (ja, vorwiegend männlich!) weltweit den wirtschaftlichen oder nationalen Interessen unterstellt wird?

Der Bruch zwischen Zwingli und den Täufern scheint allein in der Taufe begründet. Das ist naheliegend, denn das Thema des Verhältnisses zwischen Kirche und Obrigkeit, bzw. ihre Überschneidung wird nicht thematisiert. Die Gewissens- und Religionsfreiheit, sowie die Gewaltentrennung, welche die Täufer postulieren und die bis heute aktuell bleiben, kommen im Film nicht eigentlich vor. Die Stadt muss einen Strich ziehen zwischen den Aufrührern, die sie unterstützt und denen, die sie nicht unterstützt. Diejenigen, die sie nicht unterstützt, müssen ausgewiesen oder hingerichtet werden. Anna Reinhart ist zutiefst erschüttert ob solchem Vorgehen. Der Film stellt sie klar als Sympathisantin dar – warum auch nicht?

Insgesamt ist der Film sehenswert, die mehr als zweieinhalb Stunden erschienen mir nicht übermäßig lang. Er stellt den Zeitgeist von damals und die Zerwürfnisse glaubwürdig dar und lässt wichtige Fragen aufkommen. Eigentlich ruft er dazu auf, reformatorisch zu sein. Doch wie? So wie Zwingli? Wie die Täufer? Wie Anna? Da wird es spannend!