Ibrahim Nsier, Pastor der Arabisch Evangelischen Presbyterianer Kirche in Aleppo. „Heute Morgen um 04.30 Uhr, riss mich die Detonation einer Mörsergranate, die ganz in der Nähe einschlug, aus dem Schlaf. Ich sage zu mir: „Ein neuer Tag hat begonnen…“ So aufzuwachen ist normal in Aleppo. Heute predigte ich darüber, dass wir einfach gebrauchen und einsetzen sollten, was uns von Gott gegeben ist. Keiner kann sagen: „Ich habe nichts!“ Auch falls uns Gott nur etwas Winziges anvertraut hat, so kann dieses Wenige viel bewirken. In der herrschenden Kriegssituation in unserer Nachbarschaft und Städten.
Unsere Kirche, in der wir vor dem Krieg noch Gottesdienst gefeiert hatten, wurde im Krieg durch Bomben zerstört. Jetzt treffen wir uns im fünften Stock eines Wohnblocks, 120 Treppenstufen bis oben. Auch dieses Gebäude wurde inzwischen bombardiert, doch Gott bewahrte unser Leben. Nach wie vor feiern dort 150 Menschen ihren Gottesdienst.
Es geht als Pastor in einer solchen Krise nicht so sehr ums Predigen, vielmehr darum bei den Menschen zu sein, mitten in ihren Schwierigkeiten.
Auch wenn wir ihnen kein Geld geben und ihre physische Not lindern können, so können wir doch mit ihnen beten und wenigstens versuchen sie zu trösten.
Nach dem Gottesdienst erhalte ich einen Telefonanruf. Zwei älteren Frauen ist das Geld und das Trinkwasser ausgegangen, nachdem sie mit knapper Not die Miete für ihre Wohnung und ihre Medizin bezahlt hatten. Zusammen mit meiner Familie organisierten wir Wasser für die beiden. Die Preise sind horrend. Um eine fünfköpfige Familie mit Wasser zum Trinken und Waschen zu versorgen, brauchen wir monatlich etwa US$300!
Danach weitere Anrufe. Zwei Personen brauchen dringend eine Unterkunft, nachdem ihr Haus beim frühmorgendlichen Mörserangriff beschädigt wurde. Wir rufen eine Familie aus unserer Gemeinde an, die sich gerade ausserhalb der Stadt aufhält. Sie sind bereit ihr Haus den beiden Obdachlosen eine Woche lang zur Verfügung zu stellen, bis wir mit der Reparatur des kaputten Hauses beginnen können.
Dieser Tag, den ich eben beschrieben habe, ist nichts Besonderes. Er wiederspiegelt unseren Alltag. Vieles was hier vorgeht, kann man gar nicht beschreiben.
Ich bin so dankbar für meine Frau und meine Kinder, die diese Krise mit mir durchstehen. Ohne meine Frau, würde ich das kaum durchstehen. Sie ist meine Unterstützerin. Wenn wir die Kinder morgens zur Schule schicken, dann sagen wir uns allen Lebewohl, glaubt’s mir, denn wir wissen nicht mit Gewissheit ob wir uns wiedersehen.
Täglich sagen wir unseren Kindern, dass trotz aller Aufruhr und Schwierigkeiten unsere Sicherheit in Gottes Hand liegt. Wir probieren ihnen beizubringen, dass so wie Jesus gelitten hat auch wir bereit sein sollen zu leiden und dass der Tag der Auferstehung eines Tages Realität wird.
Wir glauben, dass es in unserer Gesellschaft noch viel anzupacken gibt. Wenn ich durch unsere Nachbarschaft gehe, sehe ich die tiefe Verzweiflung in den Gesichtern der Menschen. Ich sehe die Kinder auf der Strasse, die nach Geld betteln und Menschen, die ohne Schuhe an mir vorbeiziehen.
2013 verteilten wir Essensvorräte für zwei Monate an 100 bedürftige Familien. Wir unterstützten 118 Familien mit monatlichen Geldbeträgen. Dies ermöglichte ihnen Schulgelder zu bezahlen und Medizin und Essen einzukaufen. Seit August bis Dezember 2014 helfen wir 65 besonders bedürftigen Familien. MCC unterstützt uns in diesen Anstrengungen durch lokale Partnerorganisationen. Dabei greifen wir nicht nur Christen unter die Arme. Wir helfen allen Bevölkerungsgruppen. Es soll der Gesellschaft demonstrieren, dass wir als Menschen eine Verantwortung für einander haben. Glaubt mir, wir verstehen uns nicht als solche, die sagen, das ist muslimisch oder das ist christlich. Nein, wir denken anders. Wir glauben wir sind hier als lebendige Botschaft und diese Botschaft sollte für alle klar ersichtlich und verständlich lauten: Gott liebt alle Menschen und ich insistiere auf dem Wort „alle“. Wir sind zur Hoffnung berufen. Wir vertrauen Gott und tun dabei unseren Job:
Beten, füreinander da sein, das Wort Gottes studieren und ein Werkzeug von Gottes Liebe und seinem Frieden in unserer Gesellschaft sein.
Das ist, was wir tun und das ist die Hoffnung in der wir leben und uns bewegen. Wenn du glaubst alles ist verloren, tut Gott das Unerwartete, er war und ist hier! Bitte vergesst uns nicht in euren Gebeten.“
Quelle: Voices from Syria: Rev. Ibrahim Nsier in Aleppo, December 19, 2014 – Rev. Ibrahim Nsier, http://mcc.org/stories/voices-syria-rev-ibrahim-nsier-aleppo?utm_source=What%27s+New+at+MCC+for+Jan.+21%2C+2015&utm_campaign=whatsnewJan21-2015&utm_medium=email
übersetzt und gekürzt durch SMM Nothilfe, Matthias Hofer, veröffentlicht auch in SMM News Projekte Jan 15