Dies sind die Stichworte der paar Wochen um den Jahreswechsel 2019 – 2020, jedenfalls in der Nachrichtenschwemme und auf den Bildstrecken. Es wurde kürzlich im Graubünden ein toter Hirsch mit 6 Kilo Plastik im Magen gefunden. Der Tagesanzeiger vom 18. Januar berichtet, dass wir Menschen, laut einer Studie der University Newcastle im Auftrag des WWF, monatlich 21 Gramm Plastik verzehren. 21 Gramm, das entsprich laut Studien aus den frühen 2000ern dem Gewicht, um welches sich das Hirn beim Tod des Menschen verringert. Der 2004 in den Kinos spielende Film „21 Gramm“ fragte, ob dies das Gewicht der Seele sei. Der Song 21 Gramm der Gruppe Patent Ochsner hatte Erfolg damit, auch der Regionalchor La Chaux-d’Abel hat ihn gesungen. 5 Gramm Mikroplastik pro Tag, das ist deutlich höher als eine homöopathische Dosis. Im Vergleich zum Hirsch können wir Menschen grössere Stücke Plastik beim Essen leicht aussortieren. Doch Plastik ist überall und droht, uns zum Verhängnis zu werden. Die Bäume und der Wald sind vermutlich gegen die Mengen Plastik immuner als Mensch und Tier.
Das andere Stichwort ist Krieg: Es ist nicht klar, ob Trump und seinesgleichen Krieg will oder nicht. Klar ist jedoch, dass er die Welt einem verheerenden Krieg um vieles näher gebracht hat. Es gab schon immer Staatschefs, die den Krieg zur Aufrechterhaltung der Privilegien von ihresgleichen anzetteln, beziehungsweise ihn der Menschheit zumuten und aufdrängen. Und es gibt auch genügend Vasallen und Diener, die das mörderische Spiel mehr oder weniger vergnügt mitmachen. Die Saat des Kriegs ist überall, auch in unseren Häusern, Autos und Mobiles. Plastik ist mengenmässig vielleicht der Hauptanteil davon. Wertvolle und seltener werdende Metalle kommen dazu und die ganze Maschinerie produziert das alles und lebt davon.
Dabei entsteht eine Unmenge Wärme und der Ausstoss von Produktion und Konsum führt dazu, dass sich unser Klima und das Meer erwärmen, sosehr, dass das Polareis noch schneller schmilzt als die Gletscher. Das Eine führt zum Andern. Alles hängt zusammen. Der Krieg wird als mit unendlich vielen Waffen angedrohte Möglichkeit in Reserve gehalten, man könnte allenfalls die zerstörerische Maschinerie neu anzukurbeln. Die Waffenindustrie selber leistet einen viel grösseren Beitrag zum Betrieb und Wachstum dieser Maschine als wir allgemein annehmen. Deshalb muss sie in Schwung gehalten werden, auch wenn uns vorgebetet wird, es gehe um den Schutz der Bevölkerung, das sei die Pflicht des Staates. Wo aber Stickoxide oder 5G den Menschen das Leben schwer machen, wird statt mit dem Schutz nur mit der wirtschaftlichen Notwendigkeit argumentiert.
Nun ist es leider so, dass die meisten Staaten, bzw. ihre Oberhäupter, dieser Maschinerie zu Diensten stehen, denn so kann man wiedergewählt werden. Einige sagen uns, unser demokratischer Anteil, mit dem wir uns zufrieden geben sollen sei dies: wir können mitbestimmen indem wir wählen. Andere wiederum betonen, dass der Staat möglichst wenig unternehmen soll, denn wenn man es dem Gewissen des Einzelnen überlässt, kommt alles gut. Sicher: weniger, bewusster und lokal konsumieren. Damit ist schon ein kleiner Beitrag geleistet. Aber die Maschinerie hat mittlerweile ihr Eigenleben. Das Gute, oder das zum Guten Notwendige, stellt sich nicht automatisch ein, wo wir als Einzelne besser handeln oder wo mehr gewissenhafte Menschen (z.B. Christen) im Parlament sitzen. Die Maschine lässt sich nicht durch Moral und Aufrufe zähmen, sondern durch mutige politische Entscheide und Regeln. Wo die Politik versagt, weil sie zu Diensten der Maschinerie steht, Bleibt der Zivilgesellschaft nur der Widerstand. Eine Menge von Menschen, welche wissen und spüren, dass die Maschinerie mörderisch geworden ist und feststeckt. Wenn sich nichts grundlegend ändert, wird die Menschheit darin ersticken. Der sich aufdrängende Widerstand hat viele verschiedene Formen aber keine Generäle. Solcher Widerstand regt sich weltweit, insbesondere von Jugendlichen und Menschen, welche wenig oder nichts zu verlieren haben, immer mutig, fast immer gewaltfrei, häufig kreativ, oft fröhlich und humorvoll. Ziviler Ungehorsam ist dabei oft unvermeidlich aber wirkungsvoll.
So kam es letzthin, dass in Lausanne eine Anzahl Jugendlicher in der Lobby von Credit Suisse Tennis spielte. Keine Gewalt, keine Bedrohung, kein Schaden angerichtet. Spielerisch und fröhlich auf die grösste über der Menschheit drohende Gefahr hingewiesen. Auf Hausfriedensbruch verklagt, wurden sie von der Justiz freigesprochen. Der Entscheid erinnerte an einen Gerichtsentscheid der belgischen Justiz Ende 2015. Das Gericht sprach sieben Mitglieder von „Agir pour la paix“ frei, welche 2012 in ein strategisches Zentrum der NATO eingedrungen waren, um auf die Sicherheitslücken der Atomaren Aufrüstung aufmerksam zu machen. Die Begründung des belgischen Gerichts ist derjenigen des waadtländischen Gerichts ähnlich: Gewaltfreier Widerstand wo es um menschliche Sicherheit gehe, sei legitim und vom Staat zu schützen.
Die Menge Plastik in unserem täglichen Brot wird 2020 noch weiter zunehmen. Die Gefahr eines Kriegs – auch eins atomaren Kriegs – ist heute in der Tat grösser als seit dem kalten Krieg. Auch die Wärme wird vorläufig wohl noch zunehmen und die Gletscher werden weiter schmelzen. Doch der Widerstand regt sich in allen Ländern und Ecken. Es sind nicht Utopisten und TräumerInnen, welche darauf bestehen, dass gerechter Friede möglich ist und eine Frage des (Über-)Lebens. Dabei ist mit sozialen und politischen Spannungen im höchsten Grad zu rechnen. Das Jahr 2020 wird bestimmt nicht ruhiger werden. Was wir erleben ist nicht weniger als eine tiefgründige und flächendeckende Umwälzung der gesamten Zivilisation. Es ist möglich, dass die Bäume uns überleben. (Martin Walser fragt: „Was wäre daran so schlimm?“) Aber es muss nicht sein, denn es gibt Alternativen zur grossen zerstörerischen Maschinerie.
An uns ist es, diesen den Weg zu ebnen und an ihrer Umsetzung teilzunehmen. Es gibt dabei nur eine Regel: die Liebe. Wo diese Regel nichts gilt, wird Widerstand bestenfalls zur Farce und schlimmstenfalls zur Quelle der Gewalt. Martin Luther King, dessen 91. Geburtstag vergangene Woche fällig war, hatte darauf bestanden: es ist die „Beloved Community“, die geliebte Gemeinschaft, welche der Ort des Widerstandes ist und der Ort der Geborgenheit – inmitten des Plastiks, trotz dem Säbelrasseln und der Klimaerwärmung.
Hansuli Gerber