Die gegenwärtige Krise stellt uns alle vor riesige Herausforderungen. Franz Hohler soll letzthin gesagt haben: „Dieser Virus sollte uns dazu anhalten, zu beten“. Recht hat er, und er weiss wohl: Schönreden hilft nichts, sich der Verzweiflung ergeben noch weniger. Die Gemeinschaft IONA in Schottland hat auf ihrer Homepage folgendes Gebet stehen, das realistisch und zugleich hoffnungsvoll ist:
Gott, unser Herausforderer und unser Störenfried,
hilf uns, allem ins Angesicht zu sehen,
was Tod und Verzweiflung mit sich bringt,
in unserem Leben, in unseren Gemeinschaften, in unserer Welt.
Auf dass wir nie die Möglichkeit der Veränderung
aus den Augen verlieren
und immer wieder überrascht sein mögen
von Menschen, die an einander glauben.
Beten soll, nach dem Vorbild des Unser-Vater, ausgerichtet sein nicht auf die Erhaltung bzw. Wiederherstellung des Status quo, sondern auf das kommende Reich Gottes, d.h. Gerechtigkeit und Frieden. Das bedingt gleichzeitig auch entsprechendes Reden und Handeln. Dazu müssen wir informiert sein, aber nicht irgendwie. Wie die Welt nach der covid-19 Krise aussehen wird, weiss niemand genau, doch müssen wir uns im Klaren sein darüber, dass sie ziemlich oder sehr anders sein wird als diejenige, die wir kennen. Naomi Klein, Wirtschaft-Nobelpreisträgerin, sagt im Video „Coronavirus Capitalism„, dass grosse Krisen neue Gesellschaftsverträge und -ordnungen hervorbringen. Diese entstehen aufgrund von „herumliegenden Ideen“. Solch eine Idee war die der Sozialversicherung nach dem 2. Weltkrieg. Man hört heute, dass die Krise auch eine Gefahr für die Demokratie sei. Das stimmt insofern, wie Regierungen und Staatsoberhäupter (vor allem letztere) welche der Grossfinanz und den Multinationalen hörig sind bzw. von ihnen profitieren, ihre Rezepte durchsetzen und rechtsstaatliche Funktionen zurückfahren – wie Tump, Putin und Erdogan es in grossem Stil seit Einger Zeit tun. Doch es gibt „herumliegende“ Ideen, die von Potentaten nicht gewollt und von den meisten BürgerInnen nicht für realistisch gehalten werden. Doch jetzt werden solche Ideen plötzlich nicht nur möglich, sondern notwendig oder gar unabdingbar erscheinen – wenn es denn eine Zivilgesellschaft und eine gerechtere Weltwirtschaft geben soll, in der nicht die USA und die mit ihr bis vor kurzem verbündeten westlichen Staaten die absolute Oberhand haben und alles ihrer Gier unterwerfen. Diese Kräfte für eine andere Welt, in Afrika (Moustapha Dhaleb), Indien (Ekta Parishad) und im Nahen Osten (Stimmen aus Israel u. Palästina) stark am Werk seit einiger Zeit, und bei uns auch im Wachsen (Neue Wege, Denknetz u.a.), gilt es nun zu fördern – mit unseren Gebeten und durch unser Reden und Handeln. Auch an alternativer, sprich unabhängiger, Information und Lektüre fehlt es nicht. Wer sich z.B. für Wirtschaftsfragen interessiert, möge Thomas Piketty lesen. Eines ist klar: ohne politisch-sozial-wirtschaftlich vernetztes Denken und Handeln geht es nicht. Dabei wird uns helfen, uns in komplexem Denken (Edgar Morin) zu üben.
Hansuli John Gerber
lieber john, vielen dank für diesen anregenden artikel! herzlich kathy