Mit Gewalt gegen Gewalt?

Fachtagung der Friedenskirchen auf dem Bienenberg

Konflikt-Intervention als friedenstheologische Herausforderung. Religion ist ein Mittel zur gewaltfreien Überwindung von Gewalt und nicht nur deren Auslöser.

 40 Personen aus Historischen Friedenskirchen und anderen friedenskirchlichen Initiativen aus Europa trafen sich an zwei Tagen zu einer Internationalen Fachkonferenz auf dem Bienenberg bei Liestal (Schweiz), um sich dem Thema „Konflikt-Intervention als friedenstheologische Herausforderung“ zu stellen. Ereignisse wie der Terror der IS in Irak und Syrien und von Boko Haram in Nigeria, drohender Genozid in Burma /Myanmar, erneut drohender Bürgerkrieg in Burundi und im Kongo rufen nach einer international abgestimmten militärischen Intervention und versprechen sich ein Ende der Grausamkeiten. Wie stehen die Friedenskirchen dazu? Das zu klären, war Ziel der Fachtagung.

 Fernando Enns, Professor an der Freien Universität Amsterdam und der Uni Hamburg klärte zu Eingang die Frage der „Schutzverantwortung“ (Responsibility to Protect R2P): Um welche Verantwortung geht es und wie kann sie wahrgenommen werden? Neal Blough, der am „Centre Mennonite“ in Paris lehrt, Hanspeter Jecker, Leiter der Fachstelle für Theologie und Geschichte des Täufertums sowie Jonathan Seiling, wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Arbeitsstelle Theologie der Friedenskirchen Hamburg, erinnerten in einem historischen Überblick die Frage der Verantwortungsübernahme in der Gesellschaft seitens täuferisch-mennonitischer Kirchen. Peter Prove, vom   World Council of Churches (Commission on International Affairs) in Genf informierte über ökumenische Entwicklungen der letzten Jahre im Blick auf die R2P-Debatte, bevor es zum eigentlichen Kernanliegen der Tagung ging. Dieses drehte sich darum, wie nun Konflikt-Intervention zu füllen sei. Drei nicht-militärische Handlungsansätze wurden dabei vorgestellt und diskutiert: Zum einen stellte Antje Heider-Rottwillm die Option „Gewaltfreie Intervention“ vor, zum anderen präsentierte Jakob Fehr die zwei Varianten von „Just Policing“: „Polizeiliche Zwangsmassnahmen ohne lethale (tödliche) Gewaltanwendung“ und „Polizeimassnahmen mit begrenzter letaler Gewaltanwendung.“

 

Religion kann Gewalt überwinden helfen 

Der erste, inhaltlich dichte Arbeitstag klang aus mit einem Referat von Markus A. Weingardt, Stiftung Weltethos Tübungen über alternative gewaltfreie Ansätze in der Praxis. Hier wurde mit zahlreichen Beispielen aufgezeigt und illustriert, dass Religionen nicht nur ein Potential zur Eskalation von Gewalt haben, sondern mindestens ebenso sehr ein solches zur gewaltfreien Überwindung von Gewalt und der nachhaltigen Förderung von Frieden und Gerechtigkeit („justpeace“) darstellen. Der zweite Arbeitstag war der Arbeit in Workshops, der Diskussion der Thesen des Vortages und der Findung einer gemeinsamen Position zur Frage der Krisenintervention gewidmet. Zwar werden Gespräche und Symposien weitergehen, doch ein paar Thesen konnten bereits formuliert werden. Die Fachtagung endete mit dem gemeinsamen Gebet aus Lukas 1:79: “Herr, richte unsere Füsse auf den Weg des Friedens.”

Fragmentarisch dazu noch ein paar Thesen: 

 Die Verantwortung, unsere Vorstellungskraft für Alternativen zur Gewalt zu öffnen 

Es geht darum, neue Formen gewaltfreier Intervention zu entdecken und zu artikulieren. Gewalt oder die Konflikt-Intervention mit Waffen lässt den Raum in Alternativen zur Gewalt zu denken, kollabieren. Gewalt zu erlauben, könnte die Glaubwürdigkeit der Friedenskirchen aufs Spiel setzen. Diejenigen, die politische, wirtschaftliche und militärische Gewalt innehaben tendieren dazu, eigene Interessen zu verfolgen. Das unterminiert ihre Fähigkeit, auf gute Art und Weise zu einzugreifen.

Verantwortung zur Klage 

Beides, Aktionen der Gewalt als auch gewaltfreies Handeln können in Erfahrungen des Scheiterns münden. Es kann sein, dass gewaltfreies Handeln das Töten nicht verhindert. Mit den Leidenden zu leiden, kann so als Mittel gewaltfreier Intervention angesehen werden. Jesus hat seine Jünger ohne die Sicherheit von Gewalthandeln zurückgelassen, auch hat er selbst sich nicht der “Sicherheit” von Gewalt überlassen.  Der Weg Jesu, die Welt zu retten, ist der Weg des Kreuzes.

Die Verantwortung zum Bekenntnis, zur Schuldhaftigkeit und zum Glauben

Wir bekennen, dass Jesus unser Friede ist. Unser Weg der Intervention will auf dem Beispiel von Jesus aufbauen

Die Verantwortung zu vertrauen 

Wir sind ermutigt, Gottes Nähe, dem Schöpfer Gott zu vertrauen und nicht in die Sicherheit von selbst erschaffenen “Mächten.” Wir glauben, dass Gott mit uns, durch uns, sogar trotz uns in Richtung eines nachhaltigen Friedens, den wir nicht sehen arbeitet. Wenn wir irgendwo eingreifen, verlangt das, dass wir einander in Liebe und Barmherzigkeit begegnen und auf eine Weise, in der Vertrauen gebaut langfristig werden werden kann (Beispiel: Restaurative Gerechtigkeit)

 Die Verantwortung zur Demut

Wir müssen uns unserer eigenen Tendenz gewalttätig zu sein bewusst werden, wenn wir andere zum Frieden ermutigen wollen.

 Die Verantwortung zu handeln 

Die christliche Gemeinschaft ist dazu aufgerufen, den Weg des Friedens konkret werden zu lassen, so wie es Jesus vorgemacht hat. Als Friedenskirchen sind wir dazu aufgefordert, herauszufinden und uns vorzustellen, wie dieser Friede in ausserordentlich angespannten Situationen aussehen könnte und bereit sein, die Risiken für gewaltfreies Handeln zu erleiden. Die Diskussionen über das Thema: Mit Gewalt gegen Gewalt?  werden weitergehen, innerhalb der eigenen Tradition als auch mit denen anderer Glaubensrichtungen und mit der Öffentlichkeit.

Der vollständige englische Text zum Arbeitspapier steht hier als Download zur Verfügung.

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Übernommen von: http://bienenberg.ch/az/deu/index.php/taeufer/gewalt-frieden/fachtagung-bericht