Das Statement gegen Hass 2017 der Koalition „Für Menschen – gegen Diskriminierung“ setzt sich ein für ein respektvolles Zusammenleben:
- Keine Verbreitung von Hass und Angst, kein Platz für Gewalt oder Terror,
weder gegen religiöse und andere Minderheiten noch im Namen jeglicher Religion. - Keine Stigmatisierung der muslimischen oder anderer Minderheiten in der Schweiz.
Anfangs 2015 haben fast 50 Organisationen das Statement gegen Hass unterschrieben. 2017 aktualisieren und erneuern wir diesen Aufruf. Extremistische Menschen verschiedenster Religionen oder Weltanschauungen haben seit jeher die in der Schweizer Verfassung und in der Europäischen Menschenrechtskonvention garantierten Menschenrechte von Minderheiten verletzt, zu Hass gegen sie aufgerufen und terrorisiert. Aktuell wird insbesondere, aber nicht nur im Namen des Islams Gewalt und Terror gegen muslimische, jüdische, christliche, LGBTI – und andere Menschen ausgeübt. Gleichzeitig wird immer wieder Hass gegen und Angst vor Minderheiten verbreitet: Oft sind es die gleichen Stimmen, die Menschen wegen der Herkunft, der Rasse, des Geschlechts, des Alters, der Sprache, der sozialen Stellung, der Lebensform, der Geschlechteridentität, der sexuellen Orientierung, der religiösen, weltanschaulichen oder politischen Überzeugung oder wegen einer körperlichen, geistigen oder psychischen Behinderung diffamieren oder ihre Rechte einschränken (s. BV Artikel 8). Jeder solcher Angriff auf die Menschenwürde ist zu viel: dieser Dynamik muss auf allen Seiten Einhalt geboten werden.
Bei den Terror-Anschlägen im Namen des Islams in Europa (Nizza, Paris, Kopenhagen, Brüssel …), Nordamerika (Orlando), auch in Afrika und Asien, aber beinahe tagtäglich in Ländern des Nahen Ostens sind der weitaus grösste Teil der Opfer selbst muslimische Menschen, manchmal werden aber auch bewusst jüdische, LGBTI- oder (wahllos) andere unschuldige Opfer jeglicher Herkunft angegriffen. In der Schweiz selbst fürchtet sich die Bevölkerung einerseits vor Angriffen – wie in Nachbarländern – und andererseits sind der Staat oder andere Instanzen gefordert, insbesondere bei öffentlichen Grossanlässen oder für jüdische und auch andere symbolträchtige Einrichtungen aufwendige Sicherheitsvorkehrungen zu treffen.
In Europa wachsen die Ängste vor einer Radikalisierung, die junge Erwachsene zu kaum vorstellbarer Gewaltbereitschaft ver- und anleitet. Das gilt ebenfalls für die Schweiz – auch wenn wir hier bis anhin von Anschlägen verschont geblieben sind. Laut der Bundespolizei sind bisher rund 70 Verdächtige aus der Schweiz bekannt (das entspricht rund 1 von 5‘000 Schweizer Muslim_innen), die in den letzten Jahrzehnten nach Syrien oder anderswo gereist sind oder reisen wollten, um mit dem sogenannten IS oder ähnlichen Gruppen zu kämpfen.
Es muss vermieden werden, dass diese Ängste immer wieder in eine schädliche, polarisierende, öffentliche Hetze gegen muslimische Mitmenschen münden. Ein pauschaler Verdacht aufgrund von wenigen Extremist_innen ist weder gerechtfertigt noch förderlich, sondern ungerecht und diffamierend:
- Als Frauen an Sylvester 2015 in Köln und anderen Städten Übergriffe erlitten, wurden international muslimische Männer, insbesondere Flüchtlinge, unterschiedslos als suspekt eingestuft.
- Wenn ein Mädchen nicht in den Schwimmunterricht geht oder zwei Jungen der Lehrperson nicht die Hand geben, wird das zu einem nationalen Thema aufgebauscht, das – anstatt mit pragmatischen, pädagogischen, menschenrechtsfördernden Mitteln – strafrechtlich angegangen werden soll.
- Nach jedem Vorfall schüren fremdenfeindliche Stimmen Ängste, um daraus parteipolitischen Profit zu ziehen, anstatt konstruktiv Prävention zu fördern.
- Mittels Initiativen gegen Kopfbedeckungen wird kantonal und national die Stimmung gegen Muslim_innen noch weiter angeheizt.
Wie bei der Minarett-Initiative verhindert das unverhältnismässige Hochspielen solcher Fälle ein friedliches Zusammenleben und die Inklusion. Dabei werden Stimmen der Vernunft geflissentlich überhört, während extreme – muslimische und anti-muslimische – Äusserungen die öffentliche Bühne dominieren.
Dennoch oder gerade deshalb: Muslimische, jüdische, LGBTI- und andere Minderheiten verdienen Respekt und Schutz – auch von Menschen anderer Weltanschauungen –, statt pauschalisierende Stigmatisierung oder Bedrohung ihrer Sicherheit. Wer Demokratie und eine offene, vielfältige Schweiz schätzt, soll Zeichen für ein kooperatives Zusammenleben und sinnvolle Hass- und Gewalt-Prävention setzen.
Die Unterzeichnenden dieses Statements gegen Hass plädieren dafür, dieser Hetze Einhalt zu gebieten, den gemässigten und pragmatischen Meinungen mehr Aufmerksamkeit zu schenken, einen wirksamen Diskriminierungsschutz zu fördern und damit das respektvolle und friedliche Miteinander zu fördern. Wo Gewalt oder andere Straftaten vorbereitet werden, braucht es wirksame Gegenmassnahmen. Um die Radikalisierung zu verhindern, braucht es einerseits die Akzeptanz der friedlichen muslimischen Glaubensgemeinschaften, die Regulierung ihrer Finanzierung, Imam-Ausbildungen in der Schweiz und zunehmende Kooperation und Kommunikation mit den vielen wohlgesinnten muslimischen und nichtmuslimischen Mitmenschen. Andererseits ist stigmatisierenden Äusserungen von politischen und religiösen Wortführenden gegenüber Minderheiten, insbesondere der muslimischen, jüdischen und LGBTI-Gemeinschaften entschieden entgegenzutreten.