Apokalyptische Zeiten

Die USA – und mit ihnen die Welt – sind in eine apokalyptische Periode eingetreten. „Apokalyptisch“ meint nicht Weltende und auch nicht Zerstörung. „Apokalyptisch“ bedeutet, dass Dinge enthüllt, sichtbar und klar werden (Offenbarung). Das kommt in der Menschheitsgeschichte hin und wieder vor, und es fühlt sich bedrohlich an.

Im gegenwärtigen Fall handelt es sich um wirkliche Kräfte (Mächte und Gewalten), die die Menschlichkeit, die Gegenseitigkeit und die Rechtsstaatlichkeit mit Füssen treten. Es ist eine Entmenschlichung der Menschheit im Gang. Das ist nicht neu, wird aber mit der Zunahme des Autoritarismus und dessen, was einige als Technofeudalismus bezeichnen, sichtbarer. Die verheerende Verbindung von Reichtum und Macht wird krass offenbar. Sie demontiert Demokratie, zerschlägt das soziale Gefüge und plündert die demokratischen Institutionen und sozialen Einrichtungen. Sie stoppt die Bemühungen zum Schutz von Mensch und Natur. Ein Regime, das ein goldenes Zeitalter versprochen hat, entpuppt sich als Zerstörer von jahrzehntelangen sozialen Verbesserungen, von Gleichstellung, Rechenschaftspflicht und Gewaltentrennung. Es verspricht, Frieden zu bringen, und beschuldigt andere, den Krieg anzuzetteln, während es versucht, auf Kosten des Gemeinwohls und der Menschenwürde ein Maximum an Macht und Kontrolle über Menschen und Ressourcen zu erlangen.

Jedoch wird nicht nur die gegenwärtige und somit auch die langjährige Missachtung des Völkerrechts, der demokratischen Prozesse und der Menschlichkeit enthüllt, sondern auch die Logik des ungebremsten Wachstums und der Gier der multinationalen Firmen, von Regierungen gehätschelt, sowie das klägliche Scheitern des ursprünglichen Sicherheitsbündnisses, welches nach dem Kalten Krieg hätte aufgelöst werden müssen. Das alles ist nicht neu, doch nun ist es explizit und wird hemmungslos vorangetrieben.

Enthüllt wird auch der jahrzehntelange Militarismus mit seinen verheerenden Folgen. Seit dem Zweiten Weltkrieg steht die Politik im Dienste dessen, was Andrew Feinstein die „Schattenwelt der globalen Rüstungsindustrie und des Waffenhandels“ nennt – wenn sie, Politik und Wirtschaft nicht gar von ihr beherrscht werden. Es ist unwahrscheinlich, dass die derzeitige US-Regierung, welche sich als Friedensstifterin darstellt, diesen schrecklichen Motor für immer grausamere Kriege ausschalten und abbauen wird. Der neueste Bericht von SIPRI* zeigt, dass die USA ihre Vormachtstellung als Waffenexportnation massiv ausbaut. – Oder wird das Ungeheuer des transnationalen militärisch-industriellen Komplexes das Regime einholen und es auffressen? Ist die Zivilgesellschaft zum Bürgerkrieg oder zu einem Militärputsch verurteilt? Das sind schreckliche Fragen. Doch das Aufdecken von Missständen, so ungemütlich und bedrohlich es sein kann, kann auch Gutes bringen, kann Klärung schaffen, setzt Kräfte des Widerstandes und der Neuausrichtung frei. Es bringt so manche dazu, solidarisch zu sein, nach Frieden in der Unmittelbaren Umgebung zu trachten.

Noch ein weiteres wird aufgedeckt: Wie vorwiegend westliche Staaten die wirkliche und dringendste Bedrohung des Planeten und seiner Menschheit ausblenden und vernachlässigen: Die schier ungehemmt weiterlaufende Zerstörung der Biodiversität und des Klimas. Im Namen des „öffentlichen Interesses“ werden in Frankreich weiterhin überaus schädliche Projekte durchgepaukt, zuweilen auch gegen Gerichtsbeschlüsse. Die Schweiz hinkt ihren Klimazielen weit hinterher – während diese in den USA einfach ausser Kraft werden.

Es gibt in solchen Situationen ein Heilmittel und eine Antwort: unbewaffneter ziviler Widerstand und universeller Dienst am Menschen. Religion dagegen ist kaum ein Heilmittel, denn sie neigt dazu, wie die Geschichte zeigt, Reichtum und Macht und ihr überhebliches Gehabe zu rechtfertigen. Es ist der Glaube, der hier seine Echtheit und Kraft verleiht und das Handeln wirksam macht. Religion, sehr präsent in den USA, fördert möglicherweise, aber noch lange nicht unbedingt, den Glauben. Glaube an Liebe und Barmherzigkeit, an universelle Menschlichkeit, die vom Geist der Schöpfung, der Wiederherstellung und der Versöhnung inspiriert ist. Nenn es Hoffnung und akzeptiere die damit verbundene Verwundbarkeit. Glaube und widerstehe. Erwäge alle Optionen und entscheide dich für diejenigen, die das Gute fördern und sichtbar machen: Barmherzigkeit und Liebe in Demut. In der gegenwärtigen Situation haben wir wenig Macht, doch wir können uns dafür entscheiden, zur Entfaltung und Sichtbarkeit der Barmherzigkeit und der Liebe, der universellen Menschlichkeit und der Sorge für die Schöpfung beizutragen.

*SIPRI: „Stockholm International Peace Research Institute“, publiziert regelmässig Daten zum Waffenhandel

1 Gedanke zu „Apokalyptische Zeiten“

  1. Lieber Hansuli

    Ich danke dir herzlich für diesen erhellenden wie aller Widrigkeiten zum Trotz mutmachenden Kommentar zur Weltlage!

    In solidarischer Verbundenheit
    Esther.

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