A propos 500 Jahre Aufstand und Täufertum

Es gab viel zu tun, viel zu reden und zu planen. Und dann war es soweit: am 29. Mai trafen sich über 4000 Menschen in der Zwinglistadt Zürich zum eintägigen Treffen mit allerlei Angeboten zum Hören, Sehen und (Mit-)Reden. Für manche von uns war das Beste die vielen schönen Begegnungen – und dennoch sahen wir nicht alle befreundeten Menschen und ehemaligen Kolleg*innen, die auch da waren.

„Tut um Gottes Willen etwas Mutiges!“ ermahnte der Generalsekretär der Mennonitischen Weltkonferenz, César Garcia, die Anwesenden angesichts der Weltlage mit ihren gewaltigen Herausforderungen. Im Unterschied zu Zwingli, der diesen Aufruf an den Stadtrat von Zürich richtete und damit einen repressiven und gewalttätigen Eingriff meinte, gelte es heute, Mut zur Liebe zu zeigen, sagte César. Im täuferischen (meistens) und im pazifistischen (immer) Verständnis ist die Liebe gewaltlos, sie ist die Gewaltlosigkeit selber. Dass sie Gewalt erleiden kann und manchmal muss, zeigt die Weltgeschichte zur Genüge. Die Täufer sind solcher Liebe nicht immer gefolgt, doch die Herausforderung steht heute nach wie vor im Raum und fasziniert viele Menschen, welche sprachlos geworden sind angesichts der überwältigenden Gewalt in unterschiedlichsten Formen. Und sei es nur diejenige des unbegrenzten Wachstums oder der unaufhaltsam steigenden Geschwindigkeit. Auch Sprache kann gewaltsam sein, in Form von Ausschluss oder Zwang.

Etwas aber scheint an der grossen Familienzusammenkunft in Zürich praktisch untergegangen zu sein, was für die Täuferbewegung von grundlegender Bedeutung ist: Es sind 1700 Jahre vergangen seit das Christentum zur Staats- und Mehrheitsreligion gemacht worden ist. Der Fachausdruck dafür ist Konstantinismus. Das Täufertum ist naturgemäss weder Staats- noch Mehrheitsreligion und widersetzt sich ihr. Was nicht heisst, dass es mit Staats- oder Mehrheitsreligion nichts zu tun haben soll. Dass letzteres nicht untergeht, dafür setzen sich viele Kräfte ein, auch solche, die sich christlich nennen. Die Versuchung der Täufer aller Zeiten liegt nicht zuletzt darin, in sich oder in ihrem Umfeld in einer Art Konstantinismus einzurichten, und sei es ihre eigene Gemeinschaft oder ihre Sprache, ihre Heimat, oder ihre Familie. Sesshaftigkeit war kaum das Merkmal der Täufer durch die Jahrhunderte. Sie aber scheint die Versuchung zum Konstantinismus zu begünstigen. Das frühe Täufertum war sehr divers und zeichnete sich aus durch Gespräch und Auseinandersetzung. Natürlich endete so manches Gespräch zwischen Täufern und Vertretern der offiziellen Mehrheitsreligion damit, dass die stärkere bzw. die bewaffnete Seite sich mit nicht selten tödlicher Gewalt durchsetzte. Wie gehabt anno ca 33. All das bedeutet, dass Täufertum, so divers es sein mag, sich nicht durch blosse Trennung von Kirche und Staat auszeichnet, sondern durch den Willen und die Bereitschaft zum Dialog und die Disposition der Gewaltlosigkeit, was mit sich bringt, keinen Zwang auszuüben auch nicht innerhalb der eigenen Gemeinschaft. Das wiederum bedeutet, dass täuferische Gemeinschaft verwundbar ist und im Gespräch bleibt, ohne welche sie nicht mehr täuferisch wäre. In einer von Sicherheits- und Rüstungswahn besessenen Welt ist das doch erfrischend, oder nicht?

Apokalyptische Zeiten

Die USA – und mit ihnen die Welt – sind in eine apokalyptische Periode eingetreten. „Apokalyptisch“ meint nicht Weltende und auch nicht Zerstörung. „Apokalyptisch“ bedeutet, dass Dinge enthüllt, sichtbar und klar werden (Offenbarung). Das kommt in der Menschheitsgeschichte hin und wieder vor, und es fühlt sich bedrohlich an.

Im gegenwärtigen Fall handelt es sich um wirkliche Kräfte (Mächte und Gewalten), die die Menschlichkeit, die Gegenseitigkeit und die Rechtsstaatlichkeit mit Füssen treten. Es ist eine Entmenschlichung der Menschheit im Gang. Das ist nicht neu, wird aber mit der Zunahme des Autoritarismus und dessen, was einige als Technofeudalismus bezeichnen, sichtbarer. Die verheerende Verbindung von Reichtum und Macht wird krass offenbar. Sie demontiert Demokratie, zerschlägt das soziale Gefüge und plündert die demokratischen Institutionen und sozialen Einrichtungen. Sie stoppt die Bemühungen zum Schutz von Mensch und Natur. Ein Regime, das ein goldenes Zeitalter versprochen hat, entpuppt sich als Zerstörer von jahrzehntelangen sozialen Verbesserungen, von Gleichstellung, Rechenschaftspflicht und Gewaltentrennung. Es verspricht, Frieden zu bringen, und beschuldigt andere, den Krieg anzuzetteln, während es versucht, auf Kosten des Gemeinwohls und der Menschenwürde ein Maximum an Macht und Kontrolle über Menschen und Ressourcen zu erlangen.

Jedoch wird nicht nur die gegenwärtige und somit auch die langjährige Missachtung des Völkerrechts, der demokratischen Prozesse und der Menschlichkeit enthüllt, sondern auch die Logik des ungebremsten Wachstums und der Gier der multinationalen Firmen, von Regierungen gehätschelt, sowie das klägliche Scheitern des ursprünglichen Sicherheitsbündnisses, welches nach dem Kalten Krieg hätte aufgelöst werden müssen. Das alles ist nicht neu, doch nun ist es explizit und wird hemmungslos vorangetrieben.

Enthüllt wird auch der jahrzehntelange Militarismus mit seinen verheerenden Folgen. Seit dem Zweiten Weltkrieg steht die Politik im Dienste dessen, was Andrew Feinstein die „Schattenwelt der globalen Rüstungsindustrie und des Waffenhandels“ nennt – wenn sie, Politik und Wirtschaft nicht gar von ihr beherrscht werden. Es ist unwahrscheinlich, dass die derzeitige US-Regierung, welche sich als Friedensstifterin darstellt, diesen schrecklichen Motor für immer grausamere Kriege ausschalten und abbauen wird. Der neueste Bericht von SIPRI* zeigt, dass die USA ihre Vormachtstellung als Waffenexportnation massiv ausbaut. – Oder wird das Ungeheuer des transnationalen militärisch-industriellen Komplexes das Regime einholen und es auffressen? Ist die Zivilgesellschaft zum Bürgerkrieg oder zu einem Militärputsch verurteilt? Das sind schreckliche Fragen. Doch das Aufdecken von Missständen, so ungemütlich und bedrohlich es sein kann, kann auch Gutes bringen, kann Klärung schaffen, setzt Kräfte des Widerstandes und der Neuausrichtung frei. Es bringt so manche dazu, solidarisch zu sein, nach Frieden in der Unmittelbaren Umgebung zu trachten.

Noch ein weiteres wird aufgedeckt: Wie vorwiegend westliche Staaten die wirkliche und dringendste Bedrohung des Planeten und seiner Menschheit ausblenden und vernachlässigen: Die schier ungehemmt weiterlaufende Zerstörung der Biodiversität und des Klimas. Im Namen des „öffentlichen Interesses“ werden in Frankreich weiterhin überaus schädliche Projekte durchgepaukt, zuweilen auch gegen Gerichtsbeschlüsse. Die Schweiz hinkt ihren Klimazielen weit hinterher – während diese in den USA einfach ausser Kraft werden.

Es gibt in solchen Situationen ein Heilmittel und eine Antwort: unbewaffneter ziviler Widerstand und universeller Dienst am Menschen. Religion dagegen ist kaum ein Heilmittel, denn sie neigt dazu, wie die Geschichte zeigt, Reichtum und Macht und ihr überhebliches Gehabe zu rechtfertigen. Es ist der Glaube, der hier seine Echtheit und Kraft verleiht und das Handeln wirksam macht. Religion, sehr präsent in den USA, fördert möglicherweise, aber noch lange nicht unbedingt, den Glauben. Glaube an Liebe und Barmherzigkeit, an universelle Menschlichkeit, die vom Geist der Schöpfung, der Wiederherstellung und der Versöhnung inspiriert ist. Nenn es Hoffnung und akzeptiere die damit verbundene Verwundbarkeit. Glaube und widerstehe. Erwäge alle Optionen und entscheide dich für diejenigen, die das Gute fördern und sichtbar machen: Barmherzigkeit und Liebe in Demut. In der gegenwärtigen Situation haben wir wenig Macht, doch wir können uns dafür entscheiden, zur Entfaltung und Sichtbarkeit der Barmherzigkeit und der Liebe, der universellen Menschlichkeit und der Sorge für die Schöpfung beizutragen.

*SIPRI: „Stockholm International Peace Research Institute“, publiziert regelmässig Daten zum Waffenhandel

Prüft alles, das Gute behaltet – auch im Internet

Warum die Jahreslosung 2025 auch auf die sozialen Medien anzuwenden ist.

Am 14. Januar 2025 hat die Eidgenössische Medienkommission (EMEK) eine Medienmitteilung und einen Bericht publiziert, in welchem sie vor den verheerenden Folgen der Social Media, welche im Besitz von Miultimilliardären sind, warnt. Der Titel lautet: Markt- und Meinungsmacht von Plattformen. Ursachen und Folgen für die Medien und Demokratie.

In der digitalen Welt wird uns vieles vorgesetzt. Wir leben damit und gehen tagtäglich damit um. Erstaunlich dabei ist: In praktisch allen andern Lebensbereichen halten wir es für selbstverständlich, dass wir prüfen, vergleichen und wählen: von der Zahnpasta über die Kleidung bis zum Fahrzeug, wir sind gewohnt, kritisch hinzuschauen und die richtige Wahl zu treffen. Wir wären entsetzt und fänden es unerhört, wenn wir dies nicht könnten. Wie könnten wir gleichgültig sein gegenüber Dingen, die Hass schüren und Polarisierung antreiben?

Die Jahreslosung 2025 lautet : Prüft alles, das Gute behaltet.

Warum sollte dies nicht auch für unserem Umgang mit der digitalen Welt und ihren verflixten Werkzeugen gelten? Einige würden jetzt rasch sagen: Technische Werkzeuge sind neutral, es kommt drauf an, was man damit macht. Nicht wirklich. Denn erstens ist erwiesen, dass die Platform X, früher Twitter, Facebook und Instagram alles andere als neutral sind. Seid Januar häufen sich Meldungen und Klagen über den zunehmenden Missbrauch, Falschmeldungen und die Gewalt auf diesen Medien. Zweitens geht es nicht nur darum, was ich damit mache, sondern vielmehr darum, was diese Werkzeuge mit mir und mit dem Kollektiv machen und zu welcher Dynamik der Gesellschaft sie entscheidend beitragen. Eine Studie des Massachussets Institute of Technology (MIT) zeigt, dass Falschmeldungen auf X sich sechsmal schneller verbreiten als wahre Meldungen.(1)

Immer mehr Menschen informieren sich kaum mehr über die herkömmlichen Medien wie Radio, Fernsehen und Zeitungen, sondern eher über soziale Medien. Das ist insofern verständlich, als die sogenannten Mainstream Medien, insbesondere Zeitungen, zunehmend im Besitz von einigen wenigen Milliardären sind. Genau hier liegt der Grund, weshalb wir unabhängige Medien brauchen, von der öffentlichen Hand geschützt und die nicht von Werbung abhängig sind.

Internetbenutzer übersehen, dass das auch auf die Social Media zutrifft. Die Warnung der EMEK vor diesen Plattformen weist darauf dahin, dass Informationen oft manipuliert oder falsch sind. Zudem erhalten die Benutzer praktisch nur Infos aus den ihnen bekannten oder bevorzugten Kreisen. Man bewegt sich in einer Blase und glaubt zu wissen, was abgeht.

Deshalb: Warum werden Internetwerkzeuge nicht unserer – einzelnen oder gemeinsamen – Prüfung unterzogen? Ist das was grad zuoberst auf der Liste erscheint und praktisch oder bequem ist, wirklich auch gut genug? Gerade im Bereich der Digitalisierung und von Internet müsste gelten, was wir zum Beispiel im Bereich der Lebensmittel anstreben: wo möglich lokal, energie- und umweltfreundlich, von einer Herkunft, die nicht kriminell und menschenverachtend ist und dies auch nicht fördert.

Genau hier liegt die Schwierigkeit mit X, Google, Facebook, WhatsApp, Instagram, Amazon u.a.: Nicht nur verdienen die Besitzer dieser Einrichtungen und Werkzeuge Milliarden. Sie setzen alles daran, auch die Rechte ihrer Angestellten, die Umwelt, Wahrheit und Recht, um das Monopol und ihr Reich zu festigen und auszudehnen. Das ist auch der Grund, dass sie grosse Tageszeitungen kaufen und dann zensieren. Dazu kommt der unvorstellbare Energieaufwand: Google plant duzende von Atomkraftwerken um die bodenlose Energiegier von KI zu stillen.

Es ist klar: Wir kommen nicht völlig heil davon noch können wir uns einfach ins Abseits stellen. Wenn wir mit all dem rein gar nichts zu tun haben wollten, dann genügt es auch nicht, Amish zu sein. Jedoch: wie haben die Wahl, es gibt respektvollere, menschen- und umweltfreundlichere Alternativen zu den GAFAM: Es gibt Vimeo. Es gibt Framasoft mit diversen Werkzeugen. Es gibt Threema und Signal, beide für Chat, Telefon und mit der Möglichkeit für Gruppen. Und es gibt neuerdings die App MennoCom der Mennoniten in Deutschland, auf der Platform CommuniApp. Warum nicht eine solche Platform benutzen? Es gibt auch das FairPhone. Wir haben die Möglichkeit, alternative Werkzeuge zu benutzen und zu fördern. Wir haben die Möglichkeit, unsere Daten nicht ohne weiteres den Techmilliardären zuzuspielen und auch noch dafür zu bezahlen.

Ich bin überzeugt, dass es höchste Zeit ist, unser Leben zu entgooglen. Das ist zwar eine Herausforderung aber es ist möglich, insbesondere wo es um Kommunikation geht in unseren Gemeinden und Familien. Wie heisst es zum 500-Jubiläum der Täufer: Mut zur Liebe!

(1) Salomé Saqué: Résister. Payot 2024, S.67

Für Bildung und Befreiung

Es gilt seit langem als erwiesen und wird immer wieder erwähnt: Bildung und Freiheit gehören zusammen. Vor kurzem sind zwei Menschen verstorben, welche diesbezüglich konstruktive und nachhaltige Spuren hinterlassen: Gustavo Gutierrez, 96, aus Peru und Fetullah Gülen, 83, aus der Türkei. Es ist unwahrscheinlich, dass sich die beiden je begegnet sind, haben sie doch in zwei verschiedenen und gar getrennten Welten gelebt und gewirkt. In gewissem Sinn hat Gustavo Gutierrez für Kirche und Theologie ähnliches gewirkt wie Fetullah Gülen für den Islam und das muslimische Denken. Beide haben die Institutionen ihrer Religion und ihre Gläubigen vor grosse Herausforderungen gestellt, ihnen aber zugleich Gründe zu Engagement und Hoffnung eröffnet. Damit schafften sie sich allerdings nicht nur Freunde. Eigentlich haben sie jedoch bestehende aber verneinte oder vernachlässigte Herausforderungen beschrieben und gängige Spiritualität und Praxis hinterfragt. Das bringt natürlicherweise Konflikte zum Vorschein und trägt zugleich zur Erneuerung bei.

Fetullah Gülen, welcher die grösste zivilgesellschaftliche Bildungsbewegung der modernen Türkei, Hizmet (Dienst) begründete, sagte vor Jahren – zum Entsetzen mancher Fundamentalisten – nun müssten nicht mehr Moscheen, sondern mehr Schulen gebaut werden. Für Gustavo Gutierrez, der als Begründer der Befreiungstheologie gilt, sollte die Kirche nicht den Kolonialherren zu diensten sein, sondern wie Jesus solidarisch sein mit den Ärmsten und mit denen, die unter das Rad der Geschichte geraten.

Solidarität ist für beide, Gülen und Gutierrez, praktisch und gleichzeitig nicht von Spiritualität zu trennen. Bildung und Dienst, wie es Gülen’s Vision war, sind der Befreiung aus Knechtschaft und Abhängigkeit jeder Art dienlich. Befreiung braucht es heute nicht weniger als zur Zeit von Gutierrez. Wo die Menschheit Befreiung braucht, wird uns tagtäglich vorgezeigt: Krieg, Machtgehabe, Umweltzerstörung, Tyrannei in jeder Form. Und nein, es gibt kein Rezept und keinen Zauberstab dagegen, weder politisch noch ein religiös. Es gibt Hinweise, Einladungen, Beispiele, Fantasie, Ideen und Vorstellungskraft. Es bestehen Glaube, Hoffnung, Liebe. Diese zum Ausdruck bringen ist der wirksamste Widerstand und es ist keine Geste zu klein.

Wer nicht Pazifist ist…

...wird immer eine Lehre des gerechten Kriegs entwickeln. – Jürgen Moltmann †3.6.2024

Der Tod des 1926 geborenen Theologen Jürgen Moltmann hat weltweites Echo ausgelöst. Moltmann hat mindestens zwei Generationen auf allen Kontinenten beeindruckt und geprägt. Seine Theologie der Hoffnung ist auch heute topaktuell, wo die Desillusionen querbeet abgrundtief sind. Kaum ein Theologe der 20. Jahrhunderts hat ein so weites Spektrum von Menschen angesprochen. Jürgen Moltmann war ein scharfer Denker, ein aufrichtiger Intellektueller und ein überaus zugänglicher Mensch.

Ich hatte das Glück, mit Jürgen Moltmann 2019 an einer Tagung im Kloster Bose zu sein. Es ging um Theologie der Freiheit und Moltmann hielt das Hauptreferat. Er war 93 und ich war bar erstaunt über die Schärfe seines Geistes und die Pertinenz seiner Gedanken, obwohl ihm das Reden nicht ganz leicht fiel. Moltmann zitierte den russischen Anarchisten Michael Bakunin: „Wenn Gott exisitert, dann ist der Mensch ein Sklave; doch der Mensch kann uns muss frei sein, deshalb existiert Gott nicht.“ Doch der biblische Gott, so Moltmann, offenbart sich als Befreier aus der Sklaverei. Die christliche Gotteserfahrung ist die: „Wo der Geist ist, da ist Freiheit“. Laut Hannah Arendt, so Moltmann, ist die menschliche Freiheit in Gott „die Freiheit, zu beginnen“. Freiheit gibt es in menschlichen Beziehungen: entweder Herrschaft oder Gemeinschaft. Ersteres bedeutet Ich und Objekte. Letzteres bedeutet Ich und Du, Gemeinschaft von Menschen. Da bedeutet Freiheit Solidarität und Freundschaft/Gastfreundschaft. Dann gibt es noch eine dritte Dimension: Freiheit als kreative Erwartung. Wir verwandeln unsere Gegenwart in einen Bereich von Möglichkeiten für die Zukunft.

Ob der vielen Nachrufe für Jürgen Moltmann in den vergangenen Tagen erinnere ich mich an diese ermutigende Herausforderung. Jürgen Moltmann vermittelte Hoffnung und Mut und ermutigte zum furchtlosen Handeln. Dazu passt auch dieses Zitat, welchem ich kürzlich begegnet bin:

Friede mit Gott bedeutet Konflikt mit der Welt, denn das Ziel der verheissenen Zukunft sticht unweigerlich ins Fleisch jeder unerfüllten Gegenwart.

Jürgen Moltmann