Krieg ist absolut entmenschlichend und zerstörerisch. Das trifft vor allem auf die direkt Betroffenen zu, aber indirekt auch auf Millionen von Menschen, auf soziale, wirtschaftliche, politische und ökologische Bereiche.
Eine humanisierende – und damit im ursprünglichen Sinne des Wortes christliche – Antwort darauf ist ein kreatives, mutiges und selbstloses Engagement für die Opfer des Kriegs, für Menschlichkeit und für den gewaltlosen Widerstand gegen Krieg. Ein solches Engagement will informiert, genährt, geschult, aufrechterhalten und eingeübt sein. Es ist ein Lebensweg, der Staunen, Freude, Kreativität, Vorstellungskraft, Opferbereitschaft und Gemeinschaft beinhaltet. Er kann Inspiration und Ressourcen in den mystischen und praktischen Lebenserfahrungen von Frauen und Männern auf der ganzen Welt finden. Dorothee Sölle betrachtete Mystik und gewaltfreien Widerstand als Geschwister. Sie sind gemeinsam unterwegs, tanzen zusammen und inspirieren sich gegenseitig als Zeugen der göttlichen Gnade und der Macht der Liebe.
Heroismus beweist zwar grossen Mut, aber hilft er weiter? Kann er wirklich beschützen? Molotovcocktails und Gewehre vermögen weniger oder nichts gegen Massenvernichtungswaffen. Militärexperten sagen, sie gefährden Menschen zusätzlich. Wer will grössere Armeen und mehr Militärausgaben um uns zu wappnen – für wann, gegen wen und was genau? Die Bewaffnung, die uns heute Miliarden kostet, wird bei der nächsten Gelegenheit veraltet und unterlegen sein. Wie viele Miliarden haben wir an Steuergeldern gebraucht für Rüstung, die heute auf dem Schrotthaufen dahin rostet und Umwelt und Böden belastet?
Wir müssen nicht nach mehr Sicherheit suchen, sondern nach Vertrauen, Zusammenarbeit und Gemeinschaft, welche Frieden fördern. Vielleicht müssen wir uns einüben in Selbsthingabe, ohne sie zu suchen oder herbeizuführen. Vor allem müssen wir fortwährend daran denken, dass Krieg unvereinbar ist mit Liebe und dass die Liebe das letzte Wort behalten wird.
Gegen Waffen sind Menschen relativ hilflos. Doch wie wir jetzt gerade sehen, steckt im gewaltfreien Widerstand viel Kraft. Auch in Fürbitte, Solidarität, Barmherzigkeit, die Formen des Widerstands gegen die Unmenschlichkeit sind. Es stehen uns kräftige und nachhaltige Mittel zur Verfügung. Das braucht allerdings Vorstellungsvermögen, Mut und Zusammenarbeit.
Was wir sehen und hören aus der Ukraine zeugt von mutigem und einfallsreichem Widerstand.
Erica Chenoveth schreibt in ihrem Artikel in der Washington Post vom 14. März:
Ist dieser Widerstand wichtig? Ja – Bemühungen der Bürger wie Straßenblockaden und Sabotageakte können dazu beitragen, das Vorankommen der Invasionsarmee zu verzögern. Diese Verzögerungen können wichtig sein: Sie können die Invasionskräfte verwirren und desorientieren, logistische Hindernisse schaffen und die Moral des Feindes brechen. Entscheidend ist, dass Verzögerungen auch der Zivilbevölkerung wertvolle Zeit verschaffen, um zu fliehen, humanitäre Hilfe zu koordinieren oder sich mit ihren Angehörigen neu zu formieren – was möglicherweise Leben rettet.
Auch in Russland regt sich massiver Widerstand, obwohl 15 Jahre Gefängnis drohen für die, welche ausdrücklich von der öffentlichen Linie abweichen. Die Frau, die im Fernsehstudio mit einem Plakat erschien, sagte bei ihrer Verhaftung: „Sie können nicht die ganze Bevölkerung einsprerren“. Jeden Tag werden in Russland hunderte, wie es scheint vorwiegend Frauen, verhaftet, weil sie, z.B. mit weissen Plakaten, auf die Strasse gehen.
Gewaltfreier Widerstand hat auf die Gegner meist nicht die Wirkung einer Bombe. Doch je massiver er ist, desto wirksamer ist er. Erica Chenoveth hat in ihrem Buch mit Maria Stephan gezeigt, wie gewaltloser Widerstand im Lauf der Geschichte deutlich wirksamer und nachhaltiger ist als bewaffneter Widerstand.
Die individuelle und gemeinsame Einkehr, die Stille und das hörende und wartende Gebet sind gute und wirksame Wege, die wirklichen Prioritäten im Leben und in der Welt ins Blickfeld zu bekommen und sich dem Wirken des göttlichen Geistes auszusetzen. Damit wird der Boden genährt und der Geist geschärft für gewaltfreien Widerstand.
Mehr Informationen zum Thema und zum Buch von Chenoveth und Stephan gibt es hier
Sehr hilfreich ist auch der Artikel von Benhamin Kraus im Eule Magazin.
Zum Mythos der erlösenden Gewalt ist ein Artikel von Walter Wink im Heft 14 von IFOR-MIR 2014 hilfreich. Ein weiterer Artikel von John Dear im selben Heft ist auch empfehlenswert.
Und hier ein Video, in welchem Eugen Drewermann auf die Kritiken anwortet: Menschlich mit Menschen umgehen!