Veranstaltung mit Carolyn E. Yoder

Institut Compax / Bienenberg –  Täuferisches Forum für Frieden, Gerechtigkeit und Schöpfung

laden ein zu einer Veranstaltung mit Carolyn E. Yoder

Freitag, 30. Mai 2025 19 – 21 Uhr Bildungszentrum Bienenberg (Liestal)

Klima-Veränderung, Trauma und Widerstandskraft:
Überlegungen, um in herausfordernden Zeiten fokussiert, verbunden und mutig zu handeln.

Angesichts der vielfältigen Krisen und Bedrohungslagen sind wir alle sehr gefordert und fühlen uns bisweilen überfordert. In unserer Gesellschaft häufen sich folglich die Anzeichen von Erschöpfung und von Symptomen, wie sie in post-traumatischen Krisen vorkommen. Forschungsergebnisse aus verschiedenen Ländern Europas berichten von traumatischer Klimaangst und Klimawut, die insbesondere unter Jugendlichen klinische Ausmasse erreicht. Niemand bleibt davon ganz verschont.

In diesem interaktiven Vortrag geht es um die tiefgreifenden und oft traumatischen Auswirkungen des Klimawandels und anderer globaler Krisen auf Geist, Körper und Seele des Einzelnen und von Gemeinschaften. Wie können wir einfache Antworten oder geistlich begründete Ausweichmanöver vermeiden, die uns von der Realität abkoppeln? Wie können wir einen gemeinsamen radikalen Widerstand und den Mut unserer geistlichen und geistigen Vorfahren kultivieren? Durch eine Kombination von Forschung und Reflexion werden wir diesen Fragen nachgehen. Wir werden uns damit beschäftigen, wie wir in schwierigen Zeiten glaubwürdig leben können.

Carolyn E. Yoder ist Pädagogin und Psychotherapeutin. Sie arbeitete viele Jahre in Afrika und Asien, im Nahen Osten sowie im Kaukasus. In ihrer Praxis für Psychotherapie ist sie spezialisiert auf Trauma-Transformation. Seit einiger Zeit engagiert sich Carolyn Yoder auch als Climate Therapist. 2022 erschien im Neufeld Verlag ihr Buch Heilsam mit traumatischen Erlebnissen umgehen. Wege zu Resilienz, Frieden und Versöhnung. Edition Bienenberg, Band 9.

-> Anmeldung nötig bis am 26. Mai Empfohlener Tagungsbeitrag Fr/€ 20. Wir klären, zur Zeit ab, ob eine Direktübertragung online möglich ist. Auch dazu wird eine Anmeldung notwendig sein.

Es wird uns leider nicht möglich sein, den Vortrag direkt online zu übertragen. Wir tun unser bestes, die Aufnahme des Vortrags auf dieser Website kurz danach zugänglich zu machen.

Bildungszentrum Bienenberg

Täuferisches Forum für Frieden, Gerechtigkeit und Schöpfung

Europäische Konsultation zum gerechten Frieden

Von Neal Blough. Neal hat für Church & Peace an dieser Konsultation der Konferenz Europäischer Kirchen (KEK) in Warschau Anfang Dezember 2024 teilgenommen. Neal Blough ist emerierter Professor für Geschichte, Historiker der täuferischen Thelogie und Mitglied in der Friedenskommission der Mennonitischen Weltkonferenz. Das Täuferische Forum ist auch Mitglied bei Church & Peace und hat die Teilnahme von Neal finanziell mitgetragen.

Ich hatte das Privileg, an der Europäischen Konsultation zum gerechten Frieden teilzunehmen, die von der Konferenz Europäischer Kirchen (KEK) organisiert wurde. Sie fand vom 9. bis 11. Dezember (2024) in Warschau statt. Es nahmen etwa 80 Personen teil, welche europäische Kirchen, einschließlich der ukrainischen, vertraten. Ziel des Treffens war es, die theologischen, ethischen und praktischen Elemente des Konzepts und der Realität des „gerechten Friedens“ im Kontext der russischen Militäraggression auf ukrainischem Gebiet zu erörtern. Ich konnte an dieser Konsultation als Vertreter von Church and Peace, dessen Mitglied ich bin, teilnehmen. Ich wurde auch gebeten, einen kurzen Beitrag über den gerechten Frieden in der Bibel beizusteuern.

In ökumenischen und in römisch-katholischen Kreisen wird das Konzept des gerechten Friedens bereits seit mehreren Jahrzehnten entwickelt. Das Konzept wird ausgearbeitet, um den Begriff des „gerechten Krieges“ zu ersetzen, der in den Augen vieler nicht mehr funktionsfähig erscheint. Es gab zwei Vorträge zu diesem Konzept, einen von Fernando Enns, Professor in Hamburg und Amsterdam, über die Entwicklung von Diskurs und Praxis innerhalb des Ökumenischen Rates der Kirchen, und einen breiteren Vortrag von Christina Schliesser, Professorin an der Universität Freiburg. Chistina Schiesser arbeitet auch mit dem Bienenberg-Programm „Konflikt-Transformation und Friedenskultur“ zusammen.

Die Stimme der ukrainischen Kirchen
Der zentrale Teil der Konsultation bestand darin, den ukrainischen Stimmen zuzuhören, die die christliche Vielfalt des Landes repräsentierten: die Orthodoxe Kirche der Ukraine, die Baptistenunion, die Transkarpatische Reformierte Kirche in der Ukraine, die römisch-katholische und die griechisch-katholische Kirche, die Bibelgesellschaft der Ukraine, die Lutherische Kirche der Ukraine und das Institut für Religionsfreiheit.

Eines der heiklen Themen sind die Beziehungen zwischen der vom Patriarchat von Konstantinopel anerkannten Orthodoxen Kirche der Ukraine und der Ukrainisch-Orthodoxen Kirche (Moskauer Patriarchat). Zwischen den beiden bestehen zahlreiche Spannungen. Sie wurden in der Präsentation des Primas der ukrainisch-orthodoxen Kirche angesprochen, der gleichzeitig die Bemühungen um eine Versöhnung erwähnte. Die meisten Ukrainer würden sich eine vereinigte orthodoxe Kirche wünschen.

Meiner Meinung nach war die zentrale und schwierige Frage, die von den Ukrainern gestellt wurde, folgende: „Was bedeutet das Konzept des gerechten Friedens in der aktuellen Situation?“. Während das Konzept existiert, um die Kirchen zur Gewaltlosigkeit zu ermutigen, wiesen die Ukrainer auf die Bedeutung des Wortes „gerecht“ hin und damit auf die Ungerechtigkeit, die ihr Land erfährt. Die ukrainischen evangelikalen Kirchen (Baptisten, Pfingstler, Mennoniten) teilten historisch eine pazifistische Position, die derzeit als nicht praktikabel gilt, auch wenn es innerhalb dieser Denominationen Wehrdienstverweigerer gibt, allerdings ohne Rechtsstatus.
Die ukrainischen Kirchen rufen uns zu beständigem Gebet auf, aber auch dazu, die europäischen Staaten zu ermutigen, das Land bei seinen Verteidigungsanstrengungen militärisch zu unterstützen. Ich zitiere Pastor Ihor Bandura von der Baptistenunion, der meiner Meinung nach das, was wir gehört haben, gut darstellt:

Selbstverteidigung ist für viele Kirchen und Pastoren von einem Tag auf den anderen zur Realität geworden. Die Kirche muss sich auch in Zeiten des Widerstands weiterhin für Versöhnung und Friedensbildung einsetzen. Sie muss die Möglichkeit eines Friedens für morgen kultivieren. Sie muss Menschen, die durch den Krieg verletzt und traumatisiert wurden, begleiten und heilen und Vertriebene und die Schwächsten schützen. Das Bekenntnis zur Gewaltlosigkeit muss durch die Pflicht, die Schwächsten zu schützen und Ungerechtigkeit zu bekämpfen, ausgeglichen werden.

Die Meinung der Ukrainer geht dahin, dass in der aktuellen Situation das Recht auf Selbstverteidigung ein moralischer Imperativ ist, die Gewaltfreiheit muss aus der „R2P“, der Verantwortung, Unschuldige zu schützen, ausgeglichen werden. Dr. Roman Fihas, Leiter des Instituts für Ökumenische Studien an der Katholischen Universität Lviv, beschrieb seine Vorstellung von gerechtem Frieden mit mehreren Elementen:

  • Das Evangelium verteidigen, was die Notwendigkeit beinhaltet, die Ideologie der russisch-orthodoxen Kirche, den Russki Mir, zu dekonstruieren. Diese „Theologie“ verknüpft den Krieg eng mit Putins Politik, versteht ihn als Verteidigung des wahren Christentums, das durch das russische Volk repräsentiert wird, und beschreibt die im Kampf gefallenen Soldaten als Märtyrer. Aus dieser Perspektive wird der Westen als existentielle Bedrohung des „wahren“ Christentums betrachtet.
  • Gerechtigkeit ist notwendig, d. h. kein Territorium an die Russen abtreten, dem Aggressor nicht Recht geben.
  • Die Freiheit, einen demokratischen Staat zu entwickeln.
  • Europäische und internationale Solidarität für die Ukraine.

Weitere Aspekte wurden angesprochen und diskutiert:

  • Rechtsschutz für Kriegsdienstverweigerer aus Gewissensgründen
  • Ein Plädoyer für einen weihnachtlichen Waffenstillstand und einen umfassenden Gefangenenaustausch wurde vorgeschlagen. (Von der KEK gesendet und nicht gehört oder beachtet).
  • Die Unterstützung der Armeeseelsorger durch pastorale Beratung und Dialog.
  • Die Forderung nach mehr Investitionen in die Versöhnung, u. a. durch die Finanzierung von Friedensbildungsprogrammen in der Ukraine.
  • Aufrechterhaltung von Verbindungen zu russischen Dissidenten, um sie zu unterstützen und zu ermutigen.

Schlussfolgerungen

Am Ende der Konsultation wurden die Schlussfolgerungen des Anhörungsausschusses vom Vorsitzenden der KEK, Erzbischof Nikitas von Thyateira und Großbritannien, bekannt gegeben. Hier einige Auszüge:
Als Christen sind wir aufgerufen, die Wahrheit zu sagen, gewalttätige Narrative zu dekonstruieren und uns auf die Seite der Gerechtigkeit zu stellen. Diese Konsultation erinnert uns an unsere gemeinsame Verantwortung, die Menschenwürde und Solidarität zu verteidigen und den Frieden für alle zu fördern.
Der Sieg der Wahrheit bedeutet, das Leben zu schützen, die Gerechtigkeit wiederherzustellen und Solidarität aufzubauen. Das KEK ist weiterhin entschlossen, die ukrainischen Kirchen zu unterstützen und eine Vision von gerechtem und dauerhaftem Frieden zu fördern.

Was kann der mennonitische Teilnehmer, der Mitglied einer „historisch pazifistischen Kirche“ und von Church and Peace ist, zu dieser Konsultation sagen?

Zunächst einmal scheint mir die Tatsache, dass die Konsultation stattgefunden hat und dass die europäischen kirchlichen Instanzen in die gleiche Richtung arbeiten, von grundlegender Bedeutung zu sein. Die Frage des Friedens und der Gewaltlosigkeit kann nicht nur als eine Besonderheit der Mennoniten, Quäker oder anderer betrachtet werden. Ohne einen ernsthaften ökumenischen Ansatz werden die Christen in diesen Fragen nicht viel Gewicht haben. Allein die Tatsache, dass sich diese Kirchen mit ihren unterschiedlichen Traditionen und Ansichten zur Frage des Krieges treffen und ernsthaft und mit gegenseitigem Respekt an die Sache herangehen, ist sehr wichtig – etwas, das ich als Zeichen der Hoffnung sehe. In seiner Rede sagte Peter Prove, der den Ökumenischen Rat der Kirchen vertrat, folgendes:

Der Ökumenische Rat der Kirchen existiert nicht, weil wir uns einig sind, sondern gerade weil wir uns nicht einig sind, manchmal in sehr grundlegenden Fragen, und deshalb müssen wir zusammen sein und diesen schwierigen Weg gemeinsam gehen, als Zeugen einer zunehmend gespaltenen und polarisierten Welt.

Das Wiederaufleben von christlichen Nationalismen in Russland oder den USA muss von der weltweiten Kirchenfamilie bekämpft werden. Nicht nur der Russki Mir muss dekonstruiert werden (vgl. das Wiederaufleben des christlichen Nationalismus in den USA).

Was die Gewaltlosigkeit betrifft, so fühlte sich niemand außerhalb der Ukraine berechtigt, den Ukrainern zu sagen, dass sie nicht das Recht haben, sich zu verteidigen. Das bestärkt mich in dem Gedanken, dass Gewaltlosigkeit und Frieden langfristig angelegt sind. Wenn ein Krieg ausbricht, ist es oft zu spät, und gegen einen so brutalen Feind wie Putin bedeutet absolute Gewaltlosigkeit schlicht und einfach Kapitulation und schwerwiegende europäische und internationale Auswirkungen.

Frieden und gewaltfreies Handeln werden im Laufe der Zeit vorbereitet und gelebt, vor allem vor und nach bewaffneten Konflikten. Auch in Kriegszeiten, so weit wie möglich, aber der Krieg ist bereits eine Niederlage, die es oft schwierig oder unmöglich macht, gewaltfreie Mittel einzusetzen (Standpunkt der Kirchen in der Ukraine). Im Laufe der Zeit, in Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft und den Regierungen, müssen die Kirchen ernsthaft daran arbeiten, andere als militärische oder gewalttätige Mittel zur Konfliktlösung zu etablieren. Rechtsstaaten und Demokratie sind im gegenwärtigen Kontext fragil und bedroht, die Vereinten Nationen scheinen nur wenig Einfluss zu haben. Die nach dem Zweiten Weltkrieg zur Eindämmung der Gewalt gegründeten Strukturen (EU, UNO) müssen wieder ihren Platz finden, was durch die Trump-Administration ernsthaft erschwert wird. Die Kirchen könnten in ihren unterschiedlichen Kontexten eine grundlegende Rolle spielen, wenn sie im Sinne des Evangeliums des Friedens blieben. Daher die Bedeutung der ökumenischen Arbeit für den Frieden, und zwar für den gerechten Frieden.

Ich danke Church and Peace für das Privileg, in ihrem Namen an dieser Konsultation teilzunehmen, und der KEK für die wahrhaft gechwisterliche Gastfreundschaft und die Qualität und Transparenz des Austauschs. Danke auch dem Täuferischen Forum in der Schweiz, welches meine Teilnahme an der Konsultation finanziell unterstützt hat.

(Übersetzung mit Hilfe von Deepl)

Nun in deutsch: Warum gewaltfreier Widerstand funktioniert

Das preisgekrönte Buch von Erica Chenoweth und Maria J. Stephan, welches aufgrund wissenschaftlicher Forschung zeigt, warum gewaltloser Widerstand funktionier, ist nun erstmals in deutscher Übersetzung erschienen.

Kampagnen des gewaltlosen Widerstands waren zwischen 1900 und 2006 mehr als doppelt so erfolgreich wie gewaltsame Bewegungen.

Die Autorinnen kombinieren statistische Analysen mit über 300 Fallstudien aus aller Welt und zeigen detailliert die Faktoren auf, die solche Kampagnen erfolgreich machen – und manchmal auch scheitern lassen. Das Buch vergleicht systematisch gewalttätige und gewaltfreie Entwicklungen in verschiedenen politischen und geografischen Konfliktkontexten. Es entlarvt den Mythos, dass Gewalt durch strukturelle und situationsbedingte Faktoren entsteht und notwendig sei, um bestimmte politische Ziele zu erreichen. Stattdessen stellen Chenoweth und Stephan fest, dass gewaltsame Aufstände nur selten aus strategischen Gründen gerechtfertigt werden können. Und sie weisen nach, dass gewaltfreie Widerstandsbewegungen häufiger, schneller, mit weit weniger Opfern und geringeren Kosten zu stabileren und friedlicheren Demokratien führen. Ergebnisse, die auch und gerade heute höchst aktuell sind!

Nomos Verlag 2024

Singen bis zum Waffenstillstand

Am 16. Januar 2024 trafen sich Hunderte von Mennoniten und interreligiösen Verbündeten in Washington, DC, zu einer historischen Versammlung mit der Forderung nach einem sofortigen Waffenstillstand im Gazastreifen.

Nahezu 150 Mennoniten zwischen 18 und 83 Jahren wurden auf dem Capitol Hill in einem Akt friedlichen zivilen Ungehorsams verhaftet, sangen Lieder und beteten für den Frieden in einem Bundesgebäude. Etwa 200 weitere Menschen hielten gleichzeitig eine Mahnwache für Frieden vor dem Gebäude ab.

Sie schreiben auf ihrer Website MennoniteAction.org:

„Unser unmittelbares Ziel ist ein Waffenstillstand.“

„Unser langfristiges Ziel ist eine politische Lösung, welche dauerhaften Frieden ermöglicht.“

Auf Twitter schreibt Mennonite Action am 6. Februar 2024: „Wir werden nicht aufhören zu singen, bis die Besetzung beendet ist. Bis die Bombardierungen gestoppt sind. Bis alle Palästinenser und Israelis sicher und frei sind.“

Ein denkwürdiges Jubiläum

Heute, 2. Februar, sind es genau 50 Jahre seit Bruno Sägesser aktives Mitglied des Täuferischen Forums vor dem Militärgericht in Aarau stand, weil er den Militärdienst verweigerte. Damals, 1973, war Militärdienstverweigerung in der Schweiz strafbar und ein Verweigerer wurde in der Regel zu Gefängnis oder Teilhhaft verurteilt und es gab einen Eintrag im Strafregister – was für manche schwere berufliche Folgen hatte. Bruno war jung und dieser Schritt brauchte eine grosse Portion Zivilcourage und Durchhaltevermögen. Bruno erinnert sich und reflektiert:

2. Februar 2023, ein Gedenktag an ein prägendes Erlebnis vor 50 Jahren

In der Ukraine tobt ein grausamer Krieg, in Israel erlässt eine neue Regierung, mit dubiosen Mitgliedern, unhaltbare Gesetze und an mindestens weiteren fünfzig Orten auf der Welt eskalieren Konflikte. Immer noch wird uns von Politikern und Militärs die Lüge vermittelt, mit mehr Waffen gibt es Frieden. Am Anfang jedes Krieges wird auf Waffen gesetzt und am Ende eines Krieges wird von einer Katastrophe gesprochen. Auch die Schweiz ist drauf und dran, weitere Waffen zu liefern. 
Dies ist für mich nicht deckungsgleich mit dem, was uns Jesus Christus vorgelebt hat.  

Vor fünfzig Jahren, am 2. Februar 1973, stand ich, 22 Jahre alt, als Militärverweigerer vor dem Militärgericht in Aarau. Für mich war dies in meinem bisherigen Leben der emotionalste, intensivste Tag. 

Mindestens drei Jahre war die intensive Vorbereitung auf diesen Tag: Als Person ohne mennonitischen Stammbaum hörte ich mir Predigten von Paul Hofer und Samuel Gerber an. Ich wurde mehr und mehr beeindruckt von täuferischer Theologie und täuferischer Geschichte. Im intensiven Bibelstudium, im Gespräch mit christlichen Soldaten und armeekritischen Christen, sicher auch geprägt von Gedanken der 68er-Bewegung, reifte nach einschlägigen Erfahrungen in meiner Rekrutenschule der Entscheid, dass es für mich, als Nachfolger von Jesus Christus, keinen Platz in der Armee gibt.


Nun am 2. Februar 1973: Sieben uniformierte Richter vor mir, rechts neben mir ein hoher Offizier als Ankläger, links neben mir ein 22-jähriger Theologiestudent und Freund als Verteidiger und hinter mir einige Sitzreihen mit Freund:innen als Begleiter:innen. 
«Drei Monate Gefängnis, unbedingt», war das Urteil. In den drei Gefängnismonaten träumte ich davon, dass, falls ich mal Söhne haben werde, unsere Söhne, falls sie gleich entscheiden wie ich, einen Zivildienst leisten können.
Dies war der Anfang eines weiten Weges. Als Christ und Vertreter der Mennoniten, durfte ich, wollte ich, für einen Zivildienst kämpfen. 23 Jahre später, 1996, erhielt die Schweiz endlich den zivilen Ersatzdienst. Dies war wieder ein hochemotionaler Moment. 
Enorm viel Zeit, Geld und Kraft wurden von mir, Heidi und vielen anderen investiert. Ich bin dankbar für die Freundschaften, die sich in dieser Zeit entwickelten. Türen öffneten sich zu vielen hundert Freundinnen und Freunden auf der ganzen Welt. In einigen Kriegs- und Krisengebieten durften Heidi und ich Menschen treffen und von ihrer Not und ihrem Leben hören. Neben Mitmenschen aus vielen Konfessionen trafen wir auch edle religionskritische Mitmenschen, die sehr konsequent und vorbildlich lebten und leben. Für mich und Heidi hat sich der Weg gelohnt, wir haben uns von Gott begleitet und getragen gefühlt.

Mein Traum(a) geht weiter: Als Christen sollte unser Leben ähnlicher werden, wie das Leben, das uns Jesus Christus vorgelebt hat. Hunderte von Bibelstellen reden von Frieden und Gerechtigkeit.

Bruno Sägesser